Antje Schomaker
Stillstand? Findet Antje Schomaker total öde. Sie nimmt jede Gelegenheit wahr, um sich neu auszuprobieren. War sie auf ihrem ersten Langspieler „Von Helden und Halunken“ noch auf der Suche nach sich selbst, dann sieht die Sache auf ihrem zweiten Album ganz anders aus. Die Musikerin, die vor acht Jahren vom Niederrhein nach Hamburg zog und inzwischen ein weiteres Zuhause in Berlin hat, setzt heute in ihren Songs eher aufs Loslassen. Folgerichtig lässt sie im „Verschwendete Zeit“-Video nicht nur mit Zeilen wie „Ich will wieder alleine sein, schneid mir die Haare ab, obwohl du sie magst“ eine Beziehung hinter sich, sondern hat einfach mal ihr altes Ego erstochen.
Was sofort auffällt: Die 27-Jährige sieht jetzt mit ihrer Kurzhaarfrisur irgendwie lässiger aus. Genauer betrachtet ist sie gleichzeitig innerlich gewachsen. Sie hat sich zu einer richtig selbstbewussten Künstlerin entwickelt. Immer wieder hinterfragt sie all die eingefahrene Denkmuster oder Gewohnheiten, ihre Gedanken bringt sie ziemlich direkt in ihren Liedern aufs Tableau. Das macht sich besonders in dem Stück „Auf Augenhöhe“ bemerkbar. Da erklärt Antje unmissverständlich, wie es sich anfühlt, wenn jemand mit einem von oben herab kommuniziert: miserabel! So eine arrogante Haltung widerspricht komplett ihrer eigenen Lebensphilosophie: „Wir sollten lernen, einander zuzuhören und respektvoll miteinander umzugehen.“
Ohnehin ist Antje eine Teamplayerin. Als Spotify sie für die Momentum-Kampagne, mit der Künstlerinnen gefördert werden, ausgewählt hat, wollte sie nicht bloß alleine davon profitieren. Also spielte sie „Auf Augenhöhe“ mit 124 Sängerinnen ein – von Lea über Lary bis zu Stefanie Heinzmann. Ihre Stimmen hat sie als Background-Chor quasi wie ein Instrument genutzt, sie passen perfekt zum chilligen Nineties-R’n’B-Sound.
Nachdem sich Antje mit Liedern wie „Bis mich jemand findet“ als sensible Großstadtpoetin mit Gitarre etabliert hat, fasst sie nun den Mut, häufiger mit Beats zu experimentieren. Statt ans Klavier setzt sich sie sich gerne mal an den Synthesizer, immer öfter tauscht sie die Akustik- gegen die E-Gitarre aus. Im Gegensatz zu ihrem Debüt sind ihre neuen Songs vielseitiger, doch sie verleugnen Antjes Wurzeln nicht. „Auf Augenhöhe“ kommt mit fröhlicher Melancholie daher, zu einem schmissigen Eighties-Groove kann man wunderbar tanzen.
Live brauchen diese facettenreichen Songs natürlich eine energetische Show. Da drängt es sich fast schon auf, die Band zu erweitern. Antje hat eine neue Keyboarderin ins Boot geholt, das gibt ihr auf der Bühne ein gutes Stück Freiheit: „Ich kann mehr tanzen, weil ich weniger an den Instrumenten hänge.“